Was das Zahnfleisch mit Rheuma zu tun hat
Veränderungen am Zahnfleisch oder an den Zähnen sind weit mehr als lokale „Zahnprobleme“, denn Entzündungen in der Mundhöhle sind mit vielen weiteren entzündlichen Prozessen im Körper verknüpft. Die Wissenschaft konnte bereits Verbindungen zu kardiovaskulären Erkrankungen wie Arteriosklerose, Myokardinfarkt und Schlaganfall aber auch zu Diabetes mellitus und Adipositas feststellen. Darüber hinaus gibt es aber auch Parallelen und Beeinflussungen von rheumatischen Erkrankungen.
Parodontitis
Die Parodontitis ist eine Entzündungen des Zahnhalteapparates (umgangssprachlich: Parodontose). Sie ist, neben der Karies, die am häufigste Erkrankung in der Mundhöhle. Es handelt sich dabei um eine Entzündung der zahnumgebenden Gewebe. Diese sind der zahntragende Knochen, Bindegewebe und das Zahnfleisch. Versursacht wird diese Entzündung durch Bakterien in den Zahnbelägen und durch eine eingeschränkte Immunabwehr. Krankheitsfördernd wirken neben einer schlechten Mundhygiene deshalb auch Rauchen, Stress und eine stark kohlenhydratreiche Ernährung. Nach der vierten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS IV) leiden 73,2% der 35-44 Jährigen unter einer Parodontalerkrankung. Die lokalen Auswirkungen im Mund sind entzündliche Reaktionen des Zahnfleisches, die zu einem Knochenabbau führen. Zunächst bestehen keine oder nur sehr geringe Symptome wie Zahnfleischschwellung, -bluten und Sensibilitäten. Erst zu einem sehr späten Zeitpunkt, wenn deutliche Schäden bestehen kommt es zu Mundgeruch / schlechten Geschmack und Zahnfleischrückgang.
Parodontale Medizin
Entzündliche Erkrankungen der Mundhöhle sind erhöhte Risiken für einige Allgemeinerkrankungen. Gleichzeitig können allgemeine Erkrankungen sich aber auch auf die Mundgesundheit auswirken. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen weisen das nach. Der gefährlichen Parodontitis voraus geht immer eine oberflächliche, reversible Zahnfleischentzündung, die sogenannte Gingivitis. Die Gingivitis wird ebenfalls durch zahlreiche in der Mundhöhle vorkommende Bakterien und Mikroorganismen verursacht. Im Gegensatz zur Parodontitis sind bei ihr noch nicht das Bindegewebe und der Knochen betroffen. Ob sie sich weiter verstärktund in eine Entzündung des gesamten Zahnbettes (Parodontitis) übergeht, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Länge der Anwesenheit der Mikroorganismen, Aggressivität der Mikroorganismen, Reaktion des körpereigenen Immunsystems. Weitere individuelle Risikofaktoren sind Rauchen, Stress, Ernährungsfaktoren, Alkoholkonsum und genetische Faktoren. Seit einigen Jahren ist auch bekannt, dass Patienten mit einer Parodontitis nicht nur unter einem lokalen Bindegewebs- und Hartgewebsverlustleiden, sondern auch ein erhöhtes Risiko für systemische Erkrankungen aufweisen. Dieser Zusammenhang wird als „parodontale Medizin“ bezeichnet. So konnte bei Parodontitis-Patienten eine Häufung von Diabetes mellitus und kardiovaskulären Erkrankungen wie Arteriosklerose, Myokardinfarkt und Schlaganfall nachgewiesen werden. In den vergangenen Jahren gab es auch zunehmend Hinweise für einen Zusammenhang zwischen der Parodontitis und rheumatischen Erkrankungen.
Rheumatoide und Parodontitis – die Zusammenhänge
Parodontitis und RA sind beide durch einen Verlust von bindegewebigen und mineralisierten Strukturen gekennzeichnet. Im Verlauf kommt es zu einer Anreicherung von entzündlichen Zellen (Gingivitis, Parodontitis im gesamten Zahnhalteapparat oder in der Synovitis im Gelenk), die den Abbau von Knochen- und Knorpelgewebe sowohl im Gelenk, als auch im Zahnhalteapparat verursachen. Bei der Parodontitis sind die Risikofaktoren weiterstgehend bekannt, Unterschiede bestehen bei betroffenen Personen häufig in der Heftigkeit der Entzündungsreaktion. Bei der RA ist trotz intensiver Forschungsbemühungen der Grund noch nicht bekannt. Aber auch hier scheint das Immunsystem für die Intensität der ablaufenden Immunreaktion eine wichtige Rolle zu spielen. Und genau hierbei könnten Zusammenhänge bestehen: Patienten mit einer RA erkranken bis zu achtmal häufiger an einer Parodontitis als „Gesunde“ Menschen. In Studien konnte gezeigt werden, dass diese RA Patienten auffallend hohe Entzündungswerte aufwiesen. Die Schwere ihrer Parodontitis stand ebenso mit der Dauer und Aktivität der RA in Verbindung. Neuere Erkenntnisse zeigen nun, dass bei konsequenter Behandlung der Parodontitis die Entzündungsmarker von RA-Patienten im Blut sinken und sogar die Krankheitsaktivität nachlässt. In einer Studie an der Uniklinik in Pittsburgh wurden 40 RA-Patienten behandelt, die sowohl eine hohe Krankheitsaktivität als auch eine ausgeprägte Parodontitis hatten. Eine Reinigung des Zahnfleischs und die Behandlung der Infektionen im Mundraum linderten sowohl die Gelenkschmerzen, als auch die Zahl der geschwollenen Gelenke und die morgendliche Steifheit der Gelenke. In einer anderen wissenschaftlichen Untersuchung wurden Antikörper eines hoch aggressiv Parodontitiskeimes „Porphyromonasgingivalis“ in der Gelenkflüssigkeit von RA-Patienten nachgewiesen. Nach einer genauen Erklärung für diesen Nachweis wird derzeit geforscht. Möglicherweise kann diese Bakterienart auch die Bildung rheumatischer Antikörper fördern. Aufgrund des entzündlichen Geschehens können beispielsweise Menschen mit rheumatoider Arthritis vermehrt mit Zahnfleischproblemen zu tun haben. Aufgrund der oft eingeschränkten Fingerbeweglichkeit haben sie auch reduzierte Möglichkeitender Mundhygiene und sind deshalb für Gingivitis und Parodontitis anfälliger.
Zusammenfassend kann also gesagt werde, dass entzündliche Erkrankungen wie zum Beispiel die Rheumatoide Arthritis durch Parodontitis verschlimmert oder sogar ausgelöst werden. Beide Erkrankungen stellen eine enorme Belastung für das Immunsystem dar und beeinflussen sich gegenseitig. Neben positiven Effekten einer Parodontitisbehandlung auf andere Erkrankungen wie kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetes mellitus ist es auch bei der RA wichtig einen auf Parodontitis spezialisierten Zahnarzt aufzusuchen.